Die Koranschule und das Gerberviertel (oder von der Freude über keine Touristen zur Freude über viele Touristen)

Das Frühstück des Riads war wieder sehr lecker (und süß): Es gab einen kleinen Pfannkuchen, eine Scheibe Kokoskuchen, ein Brötchen und eine Auswahl an verschiedenen Marmeladen und Honig. Dazu ein Glas Orangensaft, Kaffee und ein kleines Gläschen Pistazienjoghurt.

Wir zogen diesmal etwas früher los, um möglichst wenig Menschen anzutreffen. Noch vor den offiziellen Öffnungszeiten waren wir an der Medersa Ben Youssef – einer ehemaligen Koranschule. Und diesmal hatten wir Glück! Wir durften schon hineingehen (50 MAD pro Person) und waren fast allein. Die Medersa Ben Youssef hatte auch wieder einen typischen Innenhof, mit einem Wasserbecken in der Mitte und vielen verzierten Bögen. Super schön! Auf zwei Ebenen waren um den Innenhof herum viele kleine Zimmer verteilt, in denen damals die Studenten lernten.

Anschließend schauten wir uns ein wenig in der Gegend um und wurden von einem Bewohner angesprochen, dass heute die Gerber aus dem Atlasgebirge kämen und das Leder färben würden. Als ein Junge mit Leder in der Hand vorbeikam, schickte der Mann uns zu ihm, wir sollten ihm folgen, da er zu den Ledergerbereien unterwegs sei. Uns war etwas mulmig und wir wussten nicht recht, ob wir wirklich mitgehen sollten. Er war sehr freundlich und wir entschieden ihm einfach zu folgen. Ich war hin- und der hergerissen, ob das hier gerade eine besondere Erfahrung werden würde oder eine Abzocke. Nach unzähligen Gassen führte er uns zu einem Tor, hinter dem eine Gerberei lag und wo uns direkt ein weiterer Mann begrüßte und uns Minze in die Hand drückte. Der Junge verschwand und der Mann legte direkt los uns seinen Vortrag herunterzurattern. Wir rieben die Minze in unseren Händen, um uns von dem stinkenden Geruch abzulenken. Hier fand die Verarbeitung von roher Tierhaut statt und es roch bestialisch.

Der Mann zeigte uns ein paar Stationen der Lederverarbeitung und sprach so schnell, dass ich kaum etwas verstand. Wir sahen die Tierfette herumliegen und viele im Boden eingelassene, tiefe Löcher, in denen sich Flüssigkeit und Tierhaut befand. Wirklich bunt war es nicht, aber man sah farbliche Unterschiede. Ein paar Männer in Schürzen liefen herum, aber man sah niemanden wirklich arbeiten. Nach gefühlten fünf Minuten führte der Mann uns „zur finalen Station“ der Ledergerberei – einem Laden mit den handgefertigten Lederstücken. Wir wurden quasi an den Verkäufer übergeben, der uns seine Ware zeigte. Ob Portemonnaie, Schuhe, Taschen oder Sitzkissen – hier bekam man alles.

Wir wollten nichts kaufen, also verabschiedeten wir uns und gingen hinaus, wo der Guide wartete. Er sagte, wir müssten einmal links und einmal rechts gehen, um wieder zum Platz zu kommen und er bekäme 5€ für die Gerberei und 5€ für den Laden. Wir wollten ihm erst weniger geben und in Dirham bezahlen, aber darauf ließ er sich nicht ein, also zahlten wir, was er wollte, was auch in gewisser Weise in Ordnung war, nur fühlte es sich komisch an, wie er es einforderte.

Wir gingen ein paar Gassen weiter, schauten zwischendurch auf unsere Offlinekarte und sahen ein italienisches Pärchen, die ebenfalls etwas verloren nach dem richtigen Weg schauten. Das GPS wollte nicht so richtig und schon sprach uns ein weiterer Junge an, welcher uns auf eine kleinere Gasse hinwies, dass es dort zum Platz ginge. Wir waren skeptisch und wollten ihm auch nicht folgen, da wir wussten, dass sie meistens Geld dafür verlangten. Er redete aber so lange auf uns ein und ließ nicht locker, sodass wir zu viert folgten. Ein anderer Junge auf einem Roller stand daneben und sagte, wir sollten mitgehen, da es hier ein Labyrinth sei.

Nach einigen Gassen, die wir durchquerten, blieb er plötzlich stehen und sagten wir müssten nur noch einmal rechts, einmal links und dann wären wir da, aber er möchte gerne ein Geschenk von uns für seine Führung. Der Junge auf dem Roller war nun auch wieder da und sagte, wir sollten ihm 40€ geben. Geht’s noch? Wir diskutierten, boten ihm 25 Dirham (2€), was er aber nicht annehmen wollte. Außerdem wollte er nur von dem Italiener Geld haben, nicht von uns Frauen. Es war wirklich lächerlich und übertrieben, aber so langsam wurde es ungemütlich. Der Italiener gab ihm 20€ und schon waren die Jungs weg und wir alleine. Wir ärgerten uns sehr, unser Puls war hoch und wir wollten einfach nur noch weg. Nach zwei Gassen sahen wir endlich wieder andere Touristen (hätte nicht gedacht, dass ich mich darüber mal freue), gaben dem italienischen Pärchen 10€ als geteiltes Leid und gingen ins Café Atay, um uns erstmal zu beruhigen.

Im Café auf der Dachterrasse wurden wir dafür belohnt mit einer grandiosen Aussicht auf das Atlasgebirge. Das sah wirklich wunderschön aus! Wir saßen über den Dächern Marrakeschs, sahen hohe Palmen in der Ferne und tranken einen Spiced Coffee Nous-nous (typisch marokkanisch, halb Kaffee, halb Milch mit Gewürzen).

Wir gingen durch die Souks zurück zum großen Platz Djeema El Fna, aßen Mittag im Zeitoun Café und gingen dann zurück zum Riad. Den Nachmittag verbrachten wir auf der Dachterrasse des Riads in der Sonne und entspannten. Das hatten wir irgendwie bitter nötig, denn wir waren völlig geschafft. Nicht nur von den Situationen heute Vormittag, sondern auch einfach vom Trubel und der Lautstärke Marrakeschs.

Gegen Abend machten wir uns auf den Weg, verweilten noch ein wenig im Park bevor wir dann im Nomad zu Abend aßen. Eins muss man Marrakesch lassen: Vom Essen wurden wir hier niemals enttäuscht. Das Treiben in den Gassen steht im großen Kontrast zu den Dachterrassen-Restaurants und es fühlt sich an als wären es zwei komplett unterschiedliche Welten. Aber kulinarisch ist es der Wahnsinn. Für uns gab es heute gerösteten Blumenkohl mariniert in Dukkha und konservierter Zitrone, mit Erbsenpüree und lokalem Quinoa mit Rucola-Kardamom-Pesto. Als Nachtisch Safran-Dattel-Kuchen mit Salted Caramel und Madagascar Vanilleeis. Danach fielen wir kugelrund ins Bett.

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